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Das Gebet, das die Welt umspannt

Autor: Achim Fürniss, Backnang

 

„Das Gebet, das die Welt umspannt“ nannte Helmut Thielicke einmal das Vater unser. Und in der Tat, wir sprechen es alle auswendig, es wird in allen Sprachen der Welt gebetet und es ist das Gebet der Christenheit, das alle Konfessionen verbindet. In keinem Gottesdienst darf es fehlen, täglich sprechen wir es in unserem privaten Gebet, es ist unser Stoßgebet in unfassbaren Situationen, das Gebet Jesu, das Gebet des Herrn.

Es findet es sich genau in der Mitte der Bergpredigt (Matth. 7,9ff.), der zentralen Botschaft Jesu. Und in diesem Gebet spiegelt sich alles wider, was diese Botschaft ausmacht. Ein genauer Blick darauf lohnt sich, um zu verstehen, was Jesus wichtig ist. So oft wir es auch sprechen, so wenig denken wir jedoch nach, was es bedeutet. Ich möchte dem in kurzen Abschnitten nachspüren.

Sechs Bitten umfasst das Gebet Jesu, drei die unser Verhältnis zu Gott betreffen und drei, die uns selbst betreffen, eingefasst in die Anrede (Vater unser ...) und den Lobpreis Gottes (Denn dein ist das Reich):

0. Vater unser im Himmel

Zunächst also die Anrede: "Vater unser im Himmel". „Vater“ dürfen wir Gott nennen. Es ist Jesu vertrauensvolle Anrede Gottes. Abba, wir würden Papa sagen, enger könnte das Verhältnis zu Gott nicht ausgedrückt werden. Diese Nähe zu seinem Vater macht uns im Sprechen seines Gebetes selbst zu Kindern, zu Söhnen und Töchter Gottes. Es ist schade, dass wir uns an das außergewöhnliche des Gottesnamens dabei so gewöhnt haben. Gott so vertrauensvoll anzurufen ist keineswegs selbstverständlich in den Religionen. In Jesu eigener Religion, dem Judentum, ist der Name Gottes so heilig, dass man ihn nicht einmal auszusprechen wagt.

„Ich bin mit dir“ könnte man den Gottesnamen des Alten Bundes deuten. Doch man spricht nur noch von Adonaj – meinem Herrn, soll man doch den Namen Gottes nach dem zweiten Gebot nicht mißbrauchen. Gott ist kein Herrscher, der uns mit seiner Macht beherrscht. Gott ist Vater, freilich ein Vater im Himmel, was den Unterschied zu unseren weltlichen Eltern deutlich macht. Gott ist es, der alles Leben schafft, wie unsere Eltern uns geschaffen haben. Und dabei ist weder an das Männliche oder Weibliche gedacht, sondern an das Schöpferische selbst.

1. Geheiligt werde dein Name

Nach der Anrede kommen nun drei Bitten, die unser Verhältnis zu diesem Vater ausdrücken. Unser Name drückt in ganz besonderer Weise aus, was wir selber sind. Wir hören ihn aus tausenden anderen Wörtern heraus; wo immer wir angesprochen werden mit unserem Namen, sind wir ganz da, geht es um uns selbst. So auch beim Namen Gottes.

Das zweite Gebot mahnt uns, den Namen Gottes nicht zu missbrauchen. Doch „mein Gott“ wie oft nehmen wir den Namen Gottes in den Mund, wie wenig gilt uns noch, was seinen Namen ausmacht? Immer wieder versuchten die Propheten vor Jesus den Namen Gottes wieder stark zu machen. Jesus hilft uns, indem er uns einen neuen Namen kund tut, der eine Beziehung zu uns ausdrückt. – Und was wir lieben, das bedeutet uns etwas, das schützen wir und behandeln es mit Respekt.

2. Dein Reich komme

Die zweite Bitte an Gottes Wirken ist das Kommen seines Reiches. Hier treffen wir auf die zentrale Botschaft Jesu. Die Gemeinde antwortet darauf, indem sie um das Kommen seines Reiches bittet. Immer wieder überwältigt mich die Vorstellung, wie oft, und an wie vielen Orten um das Kommen Gottes gebittet wird. Kaum vorstellbar, wie es wäre, wenn Gott und nicht menschlicher Wille nach Macht und Erfolg unsere Welt regieren würde. Allein die Vorstellung verändert die Maßstäbe unseres Handelns. Das Wissen um das Kommen seines Reiches verändert unsere Art zu herrschen.

3. Dein Wille geschehe...

Doch wie sieht unser Leben aus, wenn wir es tatsächlich Gottes Willen unterordnen. Für Jesus ist das im Matthäusevangelium eine der zentralen Fragen. Immer wieder können auch wir uns fragen, welche Bedeutung der Glaube für uns haben könnte. Am deutlichsten wird dies vielleicht, wenn wir uns Situationen anschauen, in denen Gottes Wille nicht geschieht, wenn Menschen mutwillig handeln, wenn sie ihren eigenen Willen durchsetzen.

Die zehn Gebote sind eine Art Checkliste für den Willen Gottes; doch es geht noch tiefer: dein Wille geschehe, bedeutet am Ende auch, sich Gott vollkommen anzuvertrauen. Kein Gebet, das wir zu Gott sprechen, bleibt ungehört; doch nicht immer erfüllt es sich nach unserer Vorstellung. Das Gebet Jesu in Getsemaneh, das schwere Kämpfen um den Sinn seines eigenen Leidens schwingt jedes Mal mit, wenn wir die Bitte des Vater unsers sprechen.

... wie im Himmel so auf Erden

Alles was unsere Beziehung zu unserem Vater ausmacht ist wie eine Entsprechung, wie im Himmel so auch auf Erden. Der Himmel ist der Maßstab für das Irdische. All unser Handeln wird an einem anderen, manchmal auch ganz umgekehrten Verhältnis gemessen. Himmel und Erde sind zwar getrennte Bereiche, doch in ihrer Entsprechung gleichen sie sich einander an.

Eine grandiose Vorstellung ist das, dass unsere Welt mehr sein könnte als sie ist: Urgrund aller Utopien und Hoffnungen, Gottes Welt, kein einseitiges Reich in einem anderen Leben, sondern schon jetzt und hier unter uns spürbar.

In den drei folgenden Bitten, die unser Verhältnis zu uns selbst und unseren Mitmenschen beschreiben, kommt diese zum Ausdruck.

4. Unser täglich Brot gib uns heute

Alles steckt in dieser Bitte, was wir zum Leben brauchen. Brot symbolisiert alles, was zu unserem Leben dazu gehört. Im Überfluss des Guten kann uns kaum noch deutlich werden, wie wertvoll ein einziges Stückchen Brot sein kann. Menschen, die Hunger und Armut persönlich erlebt haben, wissen jedes Stück Brot zu schätzen.

Es ist wirklich nicht viel, was wir zum Überleben an einem Tag brauchen. Und entsprechend lang ist die Liste der Dinge, auf die wir vielleicht auch verzichten könnten. Brot jedoch steht für die Dinge, die wir nicht aufgeben können. Es steht für das, was unser Leben sinnvoll und wertvoll macht. Dies ist auch, was Jesus mit dem Brot des Lebens meinte (Joh. 6). Und noch Bedeutender ist es für uns zu überlegen, was es bedeutet, dass Christus selbst für uns zum Brot des Lebens wird. Die Bitte um das Brot des Lebens enthebt uns aller Sorge um unser tägliches Auskommen. Gott sorgt für uns.

5. Und verbib uns unsere Schuld, ....

Es frappiert mich immer wieder, dass diese Bitte direkt nach dem täglich Brot kommt. Vielleicht brauchen wir die Vergebung genauso dringend wie das tägliche Brot. Wir dürfen leben auch mit dem, was uns nicht gelingt. Unsere Fehler und Vergehen stellen uns nicht in Frage, denn wir sind befreit dazu, mehr zu sein, als wir wirklich sind, keine fehlerhaften unvollkommenen Menschen, sondern Kinder Gottes aus der Kraft seiner Vergebung.

... wie auch wir veregeben unseren Schuldigern

Was wir selbst empfangen haben, können wir anderen weitergeben. Gottes Reichtum, den wir in unserem Leben erfahren, dürfen wir mit anderen teilen. Immer wieder kreist Jesus in seinen Gleichnissen und Geschichten um dieses Thema: um das Gewinnen und das Verlieren, wie die arme Witwe die sich mit Wenigem zufrieden gibt und es dennoch opfer kann, oder Menschen, die das Geschenkte aufs Spiel setzen, indem sie es für sich selbst behalten wollen oder wie der böse Knecht, die Vergebung nicht weiter geben will, die er selbst erfahren haben.

Christsein muss sich immer wieder im Alltag bewähren. Man wird uns immer wieder messen an dem, was wir tun und nicht an dem, was wir sagen.

6. Und führe und nicht in Versuchung, ...

Die Gefahr ist wirklich groß, zu versagen. Alles andere wäre unrealistisch. Christsein bedeutet, sich seiner Grenzen bewusst zu sein, und sie anderen zuzugestehen. Es bedeutet aber auch immer wieder auf die Gefahr der Grenzüberschreitung hinzuweisen, und Mut zu machen, manchmal doch besser den ehrlichen, den menschlichen Weg zu gehen, den Willen Gottes zu tun. Nicht immer werden Sie dafür Gehör finden, verschwindet der Himmel vor unseren irdischen Wünschen, werden Lüge und Gewalt mächtiger als Liebe und Versöhnung. Ein etwas düsterer Ausblick am Ende des Gebetes.

... sondern erlöse uns von dem Bösen.

Hat das Böse am Ende doch das letzte Wort? Wird es uns wirklich gelingen nach den Bitten des Vaterunsers zu leben? Gottes Reich ist doch erst im Kommen und gilt es wirklich schon heute?

Es stimmt, es geschieht nicht allein aus unserer Kraft, dass sich die Welt verändert. Erlösung ist Gottes Kraft, die alles schon heute zu sich zieht. Sie ist wie ein kräftiger Sog, der die Welt in ihre Bewegung bringt. Dass wir wirklich erlöst werden vom Bösen, drückt unsere letzte Hoffnung aus als letzte Bitte des Gebetes, mit dem es eigentlich endet.

Denn dein ist das Reich ...

Wie eine Antwort auf das Gebet kommt der Lobpreis zum Schluss. Die Überlieferungsgeschichte des Textes ist undeutlich. Die Worte, die wir zum Abschluss des Vater unser Gebets sprechen, stammen ursprünglich nicht von Jesus selbst. Aber sie ist die Antwort der früheren Gemeinde, die dieses Gebet mit dem Lobpreis abschließt. Gott sei gedankt, denn ihm gehört das Reich, sein ist die Kraft, die Macht und die Herrlichkeit und nicht der Menschen, die unser Leben bestimmen und schwer machen. Darum können wir einstimmen und sagen: Amen, so sei es!

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